Kollektive Performance in Karlsruher Innenstadt sorgt für Entschleunigung
Inspiriert von Yoko Ono und John Lennon luden Hannah Cooke und Seraphine Meya Anfang Juni 2015 in ein überdimensionales Himmelbett in der Kaiserpassage Karlsruhe ein und riefen mit diesem kollektiven und zugleich internationalen Bed-In zur Entschleunigung auf. Auf diese Weise entstand eine vom Alltag losgelöste Plattform mit Diskussionen über Klimawandel und wünschenswerten Lebensformen, innerhalb derer durch Tanz, Yoga und einer Kuchenperformance der Gemeinschaftssinn gestärkt und das Miteinander direkt spürbar wurde. Das Bett schuf Vertrautheit und das Gefühl, dass Veränderung gemeinsam machbar ist. Der Angst als treibendes Gefühl in einer Gesellschaft unter neoliberalen Vorzeichen blieb somit kein Raum. In Vorträgen von Kunstwissenschaftlern, Kunstschaffenden sowie Designern wurden Impulse zur weiteren Auseinandersetzung gegeben: Katharina Breier und Louisa Zander vom Jungen Staatstheater Karlsruhe stimmten die Anwesenden mit Liedern von John Lennon auf den Tag im Bett ein und diskutierten über Migration und Flüchtlinge. Im Zuge dessen berichteten sie auch von Stop Hate – Kiss Now, einer autonomen Gruppe von Theaterschauspielern die mit Aktionen gegen Rassismus bei den Karlsruher Anti-Pegida-Demonstationen von sich reden gemacht hatten. Nach der intensiven Diskussion über Menschenrechte und der Bedeutung eines würdigen Lebens für jeden Menschen luden Gabriele Lang und Marco Zampella zum freien Tanzen ein. Unter Anleitung bewegten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zur Musik auf der weichen Bettenlandschaft. Die Bewegungen flossen nach und nach zusammen. Für die vorbeiflanierenden Menschen in der Einkaufspassage war der Blick in dieses Schaufenster durchaus befremdlich und sorgte für Irritation im sonst so gewohnten Konsumtrott eines Montagmittags. Nach einer Yogaeinlage von Seraphine Meya hielt Sebastian Baden einen Vortrag zum Thema „Graswurzelglobalisierung“: Darin führte er die Gäste zurück zu den Ursprüngen des Bed-In und las Passagen aus dem Handbuch 1968 vor. In dieser Gegenüberstellung des Widerstands von 1968 und dem Bed-In von 2015 wurde das Spannungsfeld deutlich, in dem man sich als politisch aktiver Mensch gesellschaftlich bewegt. Der Begriff der Graswurzelrevolution zeigt, wie wichtig die kleinen und vielfältigen Bewegungen zur Gestaltung eines gerechten und sinnvollen Zusammenlebens sind. Das Bed-In als ein freundlicher und vertrauensvoller Ort bot eine ideale Grundlage zur Planung des Widerstands. In Moritz Thinnes’ Kuchenintervention teilten die Widerständigen Tortenstücke. Eine wünschenswerte Zukunft beginnt im Kleinen und somit auch bei jedem Einzelnen. Eva Wetzler erklärte, wie wichtig in diesem Zusammenhang auch das Wissen um die eigenen Selbstheilungskräfte ist. In einem kurzen Workshop gab sie Anleitung zu Essential Healing, einer Selbstheilungstechnik, die mit aktiver Entspannung arbeitet. Darüber hinaus präsentierte Jonas Baumhauer sein geplantes Designbüro. Kunst, Design und Wissenschaft gestalten hier Hand in Hand die Zukunft. Design begreift Baumhauer nicht als das Entwerfen von neuen Produkten, sondern als das kritische Eingreifen in das Vorhandene. Nach einer kurzen Einführung in die Bedeutung und Möglichkeit von utopischen Mikronationen durch Thomas Maier ließ eine kunterbunte Mischung von Menschen und Generationen den Tag im Bett ausklingen. Das Bettlaken wurde für das WorldWideBlanket mit Wünschen für die Zukunft bemalt. Klaviermusik von Flora Jörns begleitete Diskussionen über das Geschehene. Das Bed-In wird jährlich an verschiedenen Orten weltweit stattfinden.
Mit: Sebastian Baden, Jonas Baumhauer, Katharina Breier, Gabriele Lang, Thomas Meier, Moritz Thinnes, Eva Wetzler, Marco Zampella und Louisa Zander.
http://www.hannahcooke.de/bedin
http://vonhundert.de/2015-05/646_seraphine-meya-hannah-cooke.php
http://www.worldwideblanket.org/